Hipster-Sherlock

Ach die Engländer, wir hassen und lieben sie zugleich. Zum einem bietet sich das Spektrum an Touristen, denen wir die besten Clubs / Bars / Fussballpubs mit möglichst exzessiver Zulaufquote an Menschen und Spirituosen empfehlen sollen, bis sie sich in ihrem eigenen Kauderwelsch ergeben. Zum anderen liefern sie uns die spektakulärsten Serien, die wir uns mit einer supranaturalen Explosion unserer maßlosen Fantasiewelt höchstens im Rausch von LSD erhoffen dürfen. Doch Sherlock bewegt sich fernab von jeder Droge, um nicht zu sagen er verkörpert sie par excellence.

Wir befinden uns im modernen London, welches grauer und regnerischer nicht hätte sein können. Doch trotzdem fühlen wir uns besonnen an der Seite von Sherlock Holmes, der selbst die Beefeater vorm Tower mit zwinkernden Augen zum Erweichen bringt. Dank seiner fabelhaften Begabung, jede Einzelheit eines Menschen durch seinen Röntgenblick à la Superman ausfindig zu machen, ist sich die Beweissuche am Tatort ohnehin schon selbst überlassen. Und aus genau diesem Grund arbeitet sein Karma mit der hiesigen Polizei zusammen.

In der ersten Staffel lernen wir ihn als mittellosen Berater kennen, welcher seiner Umwelt als anonymer Visionär gegenübersteht und sich in seinem Nerd-Dasein durch die unzähligen Mordfälle der Times im Internet klickt und diese auf seinem, eigens dafür angelegten, Blog festhält. Dabei stößt er auf Fälle, die selbst die fluoreszierende Existenz eines Kaninchens in Frage stellen. Fragen, die die Welt mit Atomkraftwerken beantwortet. Doch für Sherlock ist das ganz und gar nicht die Lösung des Problems, er sucht nach den Wegen, die der Welt das nukleare Gift überhaupt erst eingeimpft haben.

Nicht ohne Grund, hat sich der Detektiv einen Mitbewohner in seiner trostlosen Behausung in der Bakerstreet 221 b zugelegt. Einen, der diesen Ermittlungen sinngemäß als ehemaliger Militärarzt (mit einem tauben Bein) nachgehen kann. Dr. Watson verkörpert den Menschen, der den postmodernen Holmes adäquat entschlüsselt. Er fungiert als Assistent und später als Freund, der von einem snobistischen Detektiv nicht unbedingt akzeptiert werden will. Erst in der zweiten Staffel wissen wir, dass Watson nicht nur seinen Seelenklempner, sondern vielmehr auch seine unfreiwillige Familie darstellt.

Doch da ein familiäres Detektivspielchen unter Männern viel zu öde und irgendwie bedenklich pervers wäre, gibt es die guten alten Feinde. Natürlich gibt es sie, was wäre eine Krimiserie überhaupt ohne Jäger und Gejagte? Professor James Moriarty aka „Der Napoleon des Verbrechens“ agiert als der große Diktator, der sich nichts sehnlicher als Sherlock Holmes in Form eines Drei-Gänge-Menüs zur Henkersmahlzeit auf seinem Teller wünscht.

Und so beginnen die Festspiele, die pro Folge stattliche 90 Minuten einer ungeteilten Aufmerksamkeit abverlangen und damit eine cineastische Achterbahnfahrt unter den meist stereotypen 25- minütigen Serienfolgen schaffen. Besonders durch den Einklang von Musik, Kamera und Schnitt gelingt eine Inszenierung, die die Filmlänge durchaus wert ist.

Holmes und Watson sind fabulöse Wesen, die selbst im Spülkasten der Toilette irgendeinen lächerlichen Hinweis finden würden, um den Mord an einer Scheißhausfliege aufzuklären. Durch britischen Wortwitz und dem dandyhaften Stil eines Sherlock gelingt die Serie charakteristisch in vollen Zügen.

Die dritte Staffel wurde bereits stattgegeben und lässt meine Synapsen schon jetzt heimatlos durch meine Gehirnwindungen irren. Ich freue mich auf penetrierende Röntgenblicke, Hipster-Attitüden und einen vernebelten britischen Akzent, den ich bis heute noch nicht ganz verstehe. Aber ich arbeite daran, indem ich mich mit trendy Engländern á la Pete Doherty in versifften Imbissbuden bis zur Besinnungslosigkeit betrinke und danach einschlägige Sprachkurse an der Volkshochschule besuche.

http://hipster-sherlock.tumblr.com/

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