Bereits Ende des Sommers begrüßen uns die ersten apokalyptischen Reiter als Schoko-Weihnachtsmänner oder Marzipankugeln im Supermarkt unseres Vertrauens. Die Sonne räumt das Feld und der Schnee rollt erbarmungslos auf uns zu.
Die große Schlacht um die Weihnachtszeit kommt jedes Jahr aufs Neue. In allen Ecken stinkt es nach Glühwein, Zuckerwatte und Erbrochenem mit einer süffisanten Note von Zimt. Auf Weihnachtsmärkten halten anonyme Alkoholiker ihre Treffen ab, um ihre eigene Achterbahn zu fahren. Familienväter kaufen 100 Lose, um dutzende Plüschtiere gigantischer Ausmaße in einer vollen Bahn auf dem Kopf geschnürt nach zu Hause schleppen.
Einkaufstüten flitzen mit Menschen panikartig von Geschäft zu Geschäft, als wenn es keinen Morgen gäbe. Shopping-Arkaden ähneln Kriegsschauplätzen, wo jeder bereit ist bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Die Weihnachtszeit wird dazu dramatisch von Songs untermalt, die uns seit Jahrzehnten die Ohren bluten lassen und „Last Chrismas“ heißen, als würden wir es nie wieder erleben.
Ein sabberndes Kind schmeißt dir seinen abgekauten Kandisapfel vor die Füße und rennt schreiend weg. Farben überschlagen sich wie in einem Kunstwerk von Kandinsky und der Geruch von abgestandenem Glühwein penetriert dich unentwegt.
Du stehst da, ziellos zwischen beschwipsten Jugendlichen, liest die weihnachtliche Botschaft über einem Geschäft: „Ein Fest der Gefühle und Besinnlichkeit“ und spuckst in ihr hektisch-blinkendes Gesicht. Wie jedes Jahr. Gefühle sind immer noch Intimsphäre und können sich auch in Form von Magenbeschwerden bis hin zum Kotzreiz äußern. Besinnlichkeit zeigt sich durch spekulative Beobachtungen der Menschen auf der Eiskunstlaufbahn, in der Hoffnung sie würden irgendwann Stunts wie bei „Jack Ass“ präsentieren.
Als Kind liebte ich diese ganze Aufregung verbunden mit Krach und Bums. Schon am ersten Dezember bin ich hektisch im Kreis gesprungen, wenn ich morgens aufwachte, um die Nummer 1 meines Kalenders zu öffnen. Und das wurde mit Blick auf den 24. Dezember nur schlimmer. So schlimm, dass nicht mal eine chronische Krankheit mithalten könnte.
Der Weihnachtsmann war mein Idol. Ich wollte mit einem Kugelbauch, rot-weißen Mantel bekleidet und stets den Sack voller Geschenke auf dem Rücken, durch die Stadt laufen. Im Dezember schaffte ich es immer pünktlich zur Schule, in Erwartung von Süßigkeiten, Kränzen und Kerzenkram. Sobald ich erfuhr, wann der Weihnachtsbaum in der Schule aufgestellt werden würde, wollte ich vor dem sonst üblich verhassten Gebäude zelten. Ganz klar.
Meinen Eltern gingen am Heiligabend die Haare zu neige. Während ich eine wilde Party mit Weihnachtsschleifen und Paketen feierte, saßen die Beiden auf dem Sofa und aßen ausdruckslos Kartoffelsalat. Ich schleppte alles mühsam in mein Zimmer und suchte a la Gollum 1 A-Verstecke für meine Schätze. Teilen war nicht so mein Ding. Das hat sich inzwischen geändert. Zum Glück.
Auf Geschenke gebe ich nicht mehr so viel. Wo früher die Quantität zählte, ist heut eher die Qualität von Interesse. Es kommt nicht auf Preis oder Größe an, sondern viel mehr um den Wert und Gedanken des anderen. Ich bin großer Fan von Selbstgebasteltem. Das sind die wahren Geschenke, die die vom Herzen kommen.
Doch Eingepacktes hin oder her, was nützt der größte Stress, wenn es doch „gefühlvoll und besinnlich“ sein soll? Nichts. Eben. Zurücklehnen, Beine hoch und Glüh-Tee trinken. Meinetwegen auch Plätzchen backen und bitte nicht jeden Tag aufs Neue den Kontostand verfolgen, inwieweit jetzt der Flat oder Mac für den Sohnemann gekauft werden kann. Denn dann sollte das Weihnachtsfest doch bitte „kopflos und kapitalistisch“ heißen.
Und überhaupt, Neo-Disco-Christmas-Songs, ein Schokoladen-Supermarkt und Weihnachtsfeiern in der Firma, die mehr Geld verschlingen als ein wohlverdientes Weihnachtsgehalt, sind einfach nur gesundheitsschädlich und nervenaufreibend. Was hat das noch mit Weihnachten zu tun?
Es ist schön, die Zeit mit seiner Familie im kleinen Kreis zu verbringen, noch einmal kurz inne zu halten und die Ruhe vor dem kommenden Jahr zu genießen. Keine Frage. Wir kochen gemeinsam, gehen ins Theater und flüchten vorm Alltagsleben. Für einige Tage und das ist auch gut so. Aber muss man diesem ewigen Kampf der affektierten Freude und Schenkerei nachhängen wenn das Konto partout im Dispo ist?
Dann verkrieche ich mich lieber zu Hause unter meiner kuschelig warmen Decke und träume. Träume von meinem eigenen Glitzer-Weihnachtsfest mit meinen Liebsten und davon, dass dieser Alptraum bald vorbei ist und die Menschen wieder bei Sinnen sind. Denn dass können wir doch am besten, unseren alltäglichen Späßen nachgehen. Auch ohne Lametta.
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