Sport ist Mord

Der Winter ist da.

Kaum wirfst du einen Blick aus dem Fenster, sind schon die ersten Eisblumen an der Scheibe und der Schnee nicht mehr weit entfernt. Es ist kalt, so kalt, dass du das Haus nicht mehr verlassen willst – egal, ob es Freitag, Samstag oder irgendein anderer Vizefreitag der Woche ist. Stattdessen kochst du dir einen Ingwer-Lavendel-Magenkrampf-Tee und legst dich mit einer kochend heißen Wärmflasche ins Bett, um alle kürzlich veröffentlichten Serien, Spielfilme und Dokumentationen bei Netflix wegzusuchten. Hauptsache du musst nicht frieren.

Klingt alles erstmal ganz toll. Gammeln, kuscheln, schlafen. Diese drei Verben jedenfalls, sind der Reihe nach meine absoluten Favoriten, die ich bis zur Reinkarnation als Faultier schon mal ausgiebig übe. Wenn da nicht diese eine Sache wäre. Die Sommerzeit, denn sie möchte einen Speer zwischen dich und die Pfunde der Weihnachtszeit werfen. Zurecht, denn Anfang des Jahres trägst du immer noch das dazu gewonnene Gewicht wie einen abgelaufenen Bierkasten mit dir herum. Ja selbst deine Jogginghose im Schrank, würde sich am Liebsten in den letzten Winkel verkriechen, um bloß nicht von dir getragen zu werden. Traurig, aber wahr. Also schaust du der bitteren Wahrheit ins Gesicht und gehst da hin, wo alle sind und es heißt „Super Fit – Wir lieben Sport“.

Wer hat sich diesen Slogan einfallen lassen?

Es reicht scheinbar nicht, dass es kalt draußen ist, nein. Hier wird dir auch noch eiskalt ins Gesicht gelogen. Niemand liebt Sport. Vor allem nicht dann, wenn es darum geht, sich Gewicht abzutrainieren und nach 120 Minuten wegen völliger Überlastung und wasserfallartigen Schweißausbrüchen auf der Toilette zu verstecken, um wieder die Atmung zurückzuerlangen. Die Werbeagentur Jung von Matt, welche Slogans für die BVG ins Leben ruft, wäre in dem Umgang mit deinem Gewicht wenigstens ehrlich gewesen. Dort hätte es in einer Kooperation mit Easy Jet beispielsweise heißen können: „Laufen ist wie fliegen. Nur ebenerdig.“

Nachdem du also bei klirrender Kälte zum Super Fit gelaufen bist, nicht weil die Bahn auf sich warten ließ, sondern weil du dich selbst dazu motiviert hast, schaust du dem fiesen Feind ins Gesicht. Wie in einem Wilden Western betrittst du die Trainingsfläche und hältst die Hand stets am Revolver, um dich vor energischen Mitarbeitern und vor Steroiden geschwängerten Muskeln zu schützen. Du fühlst dich stark und trittst dem Endgegner selbstbewusst gegenüber. Zu blöd nur, dass du in der Realität wie ein Steinbruch aussiehst, in dem eine Ladung Dynamit explodiert ist.

Kopf hoch und ab auf die Matte.

Jetzt ist Body Pump angesagt. Der Stress geht schon los, während du dir deine Materialien zusammen suchst. Hier ist sowohl Schnelligkeit, als auch Geschick gefragt. Wenn du das erste Mal einen Kurs im Super Fit besuchst, sei dir gesagt – geh nicht allein. Zu zweit ist es einfacher sich durch die Menschenmenge zu boxen, während du schreiend eine Zerrung vortäuscht. Sobald du eine Langhantel, zehn Gewichte in allen möglichen Abstufungen, einen Step und eine Matte vor dir liegen hast, startet das Camp David.

Hier kommt der Teil der Geschichte, der am meisten weh tut. Deswegen lasse ich ihn einfach weg und komme direkt zum Finale Grande. Woran du merkst, dass du überlebt hast? Daran, dass du es mit neuen Muskeln an Armen, Beinen und Bauch nur auf allen Vieren wieder aus dem Raum schaffst. Zehn Minuten später, nachdem du auf der Toilette wieder zu Atem gekommen bist, schaust du in den Spiegel. Wo jeder Sportler, den aus Fachkreisen besagten „Shiny Glow“ sichtet, erwartet dich nur das Gesicht einer überreifen Tomate, die kurz vorm Explodieren ist. Vor deinem inneren Auge läuft eine Netflix-Doku über regionales Gemüse ab, sie könnte deinen Namen tragen.

Seien wir wirklich mal ehrlich.

Eigentlich müssen wir der BVG dankbar sein, dass die Bahn nie fährt. Wir kommen endlich dazu Pfunde abzutrainieren, müssen nicht in einer überfüllten Bahn stehen und können uns nebenbei auch noch den Hintern abfrieren, um uns zu Hause mit einem Ingwer-Lavendel-Magenkrampf-Tee und der Wärmflasche völlig legitim ins Bett zu legen. Ach Winter, irgendwie mag ich dich. Nur über den Sport müssen wir nochmal reden. Detox kommt dann im Sommer.

Hinterlasse einen Kommentar