Künstlerkrieg an der East Side Gallery

Und wieder steht die East Side Gallery im Fokus des gesellschaftskritischen Geschehens in Berlin. Zurecht! Denn vorgestern startete das Pop-Art-Multi-Künstlertalent Jim Avignon eine Nacht und Nebel Aktion, bei der er sein einstiges Kriegs-Kunstwerk „Doin It Cool For The East Side“ zu einem brisanten, fröhlich dreinstrahlenden Baumännchen-Komplex namens „Bild 83“ umgestaltete.

So schnell wie es an die Mauergalerie, die sich von der Oberbaumbrücke zum Ostbahnhof zieht, gesprayt wurde, genauso schnell zog sich die dunkle Gewitterwolke über Avignon auf. Schließlich habe er damit den Denkmalschutz der East Side Gallery verletzt, heißt es. Dafür soll ihm nun eine dickes Bußgeld vom Senat drohen und weil das nicht genug ist, soll er seine „Kunst“ wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Ja nee, ist klar!

Avignon hingegen beruft sich auf seine Urheberrechte und stellt sich quer. Denn wie sich jeder vorstellen kann, war und ist Kunst schon immer da gewesen, um zu provozieren oder auf sich aufmerksam zu machen. Und genau diesem Zweck geht sein „denkmalgeschützes“ Werk seiner Meinung nicht mehr nach. Viel wichtiger ist es in der Zeit zu leben, omnipräsent zu sein, über die Zukunft hinwegzudenken. Aus diesem Grund hat sich Avignon auch für das „Bild 83“ entschieden. Es kritisiert eben genau jene Gesellschaft und stellt sich der Veränderung, die Berlin logischerweise mit sich bringt.

Jim-Avignonkarte

„So funktioniert das Gesetz der Straße“

Wie kamen Sie auf die Idee, Ihr Bild an der East Side Gallery zu übermalen?

Jim Avignon: Erst einmal ist das gar nicht mehr mein Bild. Ich habe mein ursprüngliches Bild im Jahr 1991 übermalt. Später wurde es dann von Kunsthochschülern wieder zurückgemalt. Meine emotionale Bindung zu dem Bild ist daher nicht sehr groß. Ich habe schon lange mit dem Gedanken gespielt, das Werk erneut zu übermalen. Und dann kam Arte mit der Idee auf mich zu, einen Flashmob anzuzetteln.

Verstehen Sie die Kritik, die gegen Ihre Aktion geäußert wird?

Wer auf der Straße malt, weiß, dass seine Bilder nicht für die Ewigkeit gemacht sind. Ich habe schon überall auf der Welt gezeichnet, und oft wurden meine Bilder nach einer Zeit von anderen Künstlern übermalt. Das ist okay – so funktioniert das Gesetz der Straße. Es ist reaktionär, einen alten Zustand krampfhaft aufrechtzuerhalten. Deswegen habe ich mich auch von Anfang an nicht an den Renovierungsarbeiten an der East Side Gallery beteiligt.

Was erhoffen Sie sich davon, nun ein neues Bild an der East Side Gallery erschaffen zu haben?

Ich möchte damit gern eine Diskussion anregen – aber niemanden bevormunden. Ich hänge einfach nicht sehr an meinem Bild, das ich mit Anfang 20 erschaffen habe. Ich habe mich als Künstler weiterentwickelt und käme mir albern vor, ein altes Werk noch einmal Strich für Strich nachzuzeichnen. Aber das soll jeder Künstler für sich selbst entscheiden. Es könnte doch eine charmante Idee sein, jedes Jahr die Mauer für Künstler aus aller Welt neu auszuschreiben. So könnte man den sich ständig wandelnden Zeitgeist gut einfangen.

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Quelle Interview: © Berliner Morgenpost 2013

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